In Betrieben werden Betriebsräte gewählt. So steht es im Betriebsverfassungsgesetz von 1972. Mit der Neufassung des Gesetzes vor 50 Jahren kam mehr Demokratie in die Betriebe. Betriebsräte bekamen mehr Mitbestimmung – etwa bei Entlohnung, Arbeitszeiten, Arbeitsschutz, Berufsbildung und Sozialplan.
„Mehr Demokratie wagen“ war das Motto der Brandt-Bundesregierung. Das sollte endlich auch für die Betriebe gelten: Am 18. Januar 1972 tritt das neue Betriebsverfassungsgesetz in Kraft. Es gibt Betriebsräten deutlich mehr Rechte auf Information und Mitbestimmung als die vorherige Fassung von 1952. Und die Gewerkschaften erhalten ausdrücklich das Recht auf Zutritt in den Betrieb und können Betriebsratswahlen initiieren.
Auch gesellschaftlich ist das neue Betriebsverfassungsgesetz von 1972 Vorreiter: Erstmals dürfen auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit ausländischem Pass kandidieren, was ansonsten seit 1992 nur bei Kommunalwahlen gilt, und dort auch nur für EU-Bürgerinnen und -bürger.
Die Gewerkschaften wollen das Betriebsverfassungsgesetz nach 50 Jahren nun modernisieren und die Mitbestimmung weiterentwickeln, um die Transformation, die Digitalisierung und den Umbau der Industrie hin zur Klimaneutralität zu bewältigen.
„Gewerkschaften und Betriebsräte wollen und müssen an diesem Umbau beteiligt werden“, fordert Christiane Benner, Zweite Vorsitzende der IG Metall. „Beschäftigte und ihre Interessenvertretungen müssen die strategische Ausrichtung der Unternehmen und Betriebe mitgestalten können. Dazu gehören auch Mitbestimmungs- und Initiativrechte bei der betrieblichen Aus- und Weiterbildung, Personalplanung und Beschäftigungssicherung.“
1972: Mehr Mitbestimmung für Betriebsräte
Das ursprüngliche Betriebsverfassungsgesetz von 1952 war eine Enttäuschung für Beschäftigte, Gewerkschaften und Betriebsräte: Sie hatten die Betriebe nach dem Krieg wieder aufgebaut, als die Arbeitgeber sich noch vor der Entnazifizierung versteckten. 1952 wurden sie wieder entmachtet und hatten keine echte Mitbestimmung.
Mit dem Betriebsverfassungsgesetz 1972 bekamen Betriebsräte neue und stärkere Rechte. Sie bestimmten künftig mit bei allen Arten des Leistungsentgelts und der Leistungsüberwachung, beim Arbeitsschutz und bei der Berufsbildung, bei Einstellungen, Versetzungen und bei der Eingruppierung – sowie bei der Verteilung der Arbeitszeit auf einzelne Wochentage, bei Überstunden und Kurzarbeit. Der Betriebsrat erhält ein Beratungsrecht bei der Personalplanung. Kündigungen ohne Zustimmung des Betriebsrats sind unwirksam.
Erstmals bestimmt der Betriebsrat einen Sozialplan mit, etwa bei Betriebsschließung. Das heißt, der Arbeitgeber kann nicht mehr einfach dichtmachen, sondern er muss erst mit dem Betriebsrat über die Bedingungen verhandeln. Dazu muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat auch die Zahlen offenlegen.
Freistellungen, Schulungen und mehr Schutz
Betriebsräte erhalten 1972 das Recht auf Freistellungen und auf Schulungen – etwa Seminare bei der Gewerkschaft, vom Arbeitgeber bezahlt. Dadurch wird professionelle, qualifizierte Betriebsratsarbeit erst wirklich möglich.
Zudem wird ihr Schutz verbessert. Auch Kandidatinnen und Kandidaten für die Betriebsratswahl und Mitglieder des Wahlvorstands sind jetzt vor Kündigung geschützt.
Die Gewerkschaften können zudem selbst Betriebsratswahlen anstoßen und ihre Kandidatinnen und Kandidaten unterstützen.
Besser mit Betriebsrat
Beschäftigte mit Betriebsrat haben es besser. Das zeigen zahlreiche Studien: Die Arbeitsplätze sind sicherer – auch in Zukunft. Es gibt mehr langfristige Investitionen und eigene Produktion statt Fremdvergabe und Ausgliederung. Und es gibt im Schnitt 8,4 Prozent mehr Geld als ohne Betriebsrat.
Zudem sind Betriebe mit Betriebsrat auch erfolgreicher und machen im Schnitt 14 Prozent mehr Gewinn. Also: Auch die Arbeitgeber profitieren davon, dass ihre Betriebsräte mitdenken – und zwar langfristiger als Manager.
Viele Arbeitgeber haben allerdings keine Strategie für die Zukunft, für die Transformation und den klimaneutralen Umbau. Das zeigt eine Beschäftigtenbefragung der IG Metall.
Das Ergebnis: Unternehmen bauen Arbeitsplätze ab und verlagern in Niedriglohnländer. In vielen Betrieben kämpfen gerade Beschäftigte und Betriebsräte gemeinsam mit der IG Metall für ihre Zukunft, etwa bei den Autozulieferern Bosch und Mahle. Sie demonstrieren und legen Alternativkonzepte gegen die Abbaupläne der Arbeitgeber vor, für neue Produkte und Qualifizierung. Allerdings: Auf die Alternativkonzepte eingehen müssen die Arbeitgeber rechtlich nicht. Sie können sich auf ihre unternehmerische Freiheit berufen.
IG Metall fordert Weiterentwicklung der Mitbestimmung
Die IG Metall will die Herausforderungen der Transformation auch durch eine weiterentwickelte Mitbestimmung gemeinsam angehen – und mit mehr Demokratie im Betrieb auch die Demokratie insgesamt stärken.
„Zur Stabilisierung der Demokratie gehört auch, die Menschen gerade in Umbruchzeiten zu beteiligen und ihnen eine Perspektive aufzuzeigen“, erklärt Christiane Benner. „Im Koalitionsvertrag steht deshalb ganz richtig: Die sozial-ökologische Transformation und die Digitalisierung kann nur mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wirksam gestaltet werden. Leider folgen diesem grundsätzlichen Bekenntnis nicht die notwendigen Vorschläge für eine Weiterentwicklung des Betriebsverfassungsgesetzes. Das gesamte Betriebsverfassungsgesetz muss auf den Prüfstand. Digitalisierung, Globalisierung und Transformation brauchen neue, nach vorne gerichtete Antworten.“
Immerhin: Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat gerade einen Gesetzentwurf angekündigt. Der Staat soll künftig die Behinderung von Betriebsräten ohne vorherige Anzeige aktiv als Straftat verfolgen. „Die Behinderung der demokratischen Mitbestimmung stufen wir künftig als Offizialdelikt ein.“
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